Product Information Management

Die Zukunft der Vertriebsprozesse: CPQ und PIM im Fokus

Yana Zabolotna
31.08.2023
12 Min
Illustration mit Sprechblasen und den Köpfen von Markus Pichler und Achim Beckmann | eggheads.net

Experteninterview mit Markus Pichler und Achim Beckmann

Die Digitalisierung hat die Art und Weise verändert, wie Unternehmen ihre Produkte und Dienstleistungen anbieten und verkaufen. Kunden erwarten heute personalisierte und schnelle Lösungen, die ihren Bedürfnissen und Präferenzen entsprechen. Um mit dieser Entwicklung Schritt zu halten, müssen Unternehmen ihre Vertriebsprozesse optimieren und ihre Produktinformationen effizient verwalten. Dabei spielen zwei Softwarelösungen eine wichtige Rolle: CPQ und PIM. CPQ steht für Configure Price Quote und ermöglicht es, variantenreiche und kundenindividuelle Angebote automatisiert zu erstellen. PIM bedeutet Product Information Management und bezeichnet das zentralisierte Management und die automatisierte Verteilung von Produktdaten und -Content für verschiedene Kanäle und Märkte.

In diesem Interview sprechen wir mit zwei Experten aus diesen Bereichen: Markus Pichler, Geschäftsführer von eggheads, und Achim Beckmann, Managing Director bei In Mind Cloud, einem renommierten Softwareanbieter für eine digitale Vertriebsplattform und CPQ, spezialisiert auf die komplexen Anforderungen im Vertrieb. Die beiden erzählen uns, welchen Herausforderungen Unternehmen im digitalen Vertrieb begegnen und wie die Kombination aus PIM und CPQ ihnen helfen kann, diese zu meistern.

Beginnen wir mit den Grundlagen: Was ist CPQ?

Achim Beckmann:
CPQ ist die Abkürzung für Configure, Price Quote. Das sind die drei Schritte, die ein Vertriebsmitarbeiter machen muss, um ein individuelles Produkt an einen Kunden zu verkaufen. Erst muss das Produkt konfiguriert, also an die Kundenwünsche angepasst werden. Dann muss der Preis berechnet werden, der von verschiedenen Faktoren abhängt. Und schließlich muss ein Angebot erstellt und freigegeben werden, das professionell und fehlerfrei ist. Mit CPQ lässt sich dieser Prozess automatisieren. CPQ ist also mehr als ein Produktkonfigurator. Es ist ein End-to-End-Prozess, der den Vertrieb effizienter und flexibler macht. Mit CPQ kann man kundenspezifische Produkte schneller und einfacher anbieten und fertigen.

Für welche Branchen ist CPQ besonders interessant?

Achim Beckmann:
Die In Mind Cloud fokussiert sich auf die Fertigungsindustrie, die individuelle Produkte mit hohem Standardisierungsgrad anbietet. Denn hier ist der Bedarf an individuellen Produkten am größten. Die Kunden benötigen meist eine maßgeschneiderte Maschinenkonfiguration – Losgröße 1. Die Hersteller müssen diese „Unikate“ aus Standardkomponenten zusammensetzen. CPQ unterstützt dabei zwei wichtige Prozesse in der Fertigungsindustrie:

CTO – Configure to Order: Hier geht es um vordefinierte Datenmodelle. Um dies zu veranschaulichen, denken wir an einen Pkw-Konfigurator. Obwohl Autos komplexe Produkte sind, kann sie heute jeder konfigurieren und bestellen, ohne vorher eine Probefahrt gemacht zu haben. Dabei werden Regeln definiert, zum Beispiel ein M-Paket, das keine Komfortsitze erlaubt, sondern nur Sportsitze. Und dann wird der Preis berechnet.

ETO – Engineer to Order: Hier geht es um individuelle Produktanfragen. Angenommen, ein Medizintechnikhersteller benötigt für sein Produkt ein Kunststoffgehäuse. Er fragt bei einem Kunststoffspritzer an. Dieser erhält eine CAD-Zeichnung und technische Details wie Material, Haltbarkeit etc. Daraufhin erstellt er eine Kostenkalkulation, meist auf Basis von Kostensätzen. Häufig wird hier ein Pricing auf Basis Cost+ verwendet.

Um trotz Standardisierung individuell bleiben zu können, müssen CTO und ETO kombiniert werden.

Wohin bewegt sich der Markt und welche Trends zeichnen sich ab?

Achim Beckmann:
Der Markt entwickelt sich in verschiedene Richtungen. Wir können jedoch vier Trends aus unserer Erfahrung benennen: Spezialisierung, Konsolidierung, Cloud und Integration von CPQ mit CRM, E-Commerce und ERP-Systemen.

Können Sie mehr zu den Trends am Markt erzählen?

Achim Beckmann:
Es gibt drei große Trends, die wir beobachten. Der erste ist die Spezialisierung. Einige CPQ-Anbieter fokussieren sich auf bestimmte Aspekte des CPQ-Prozesses, wie zum Beispiel den Product Life Cycle. Wir bei In Mind Cloud glauben jedoch, dass ein durchgängiger End-to-End-Prozess entscheidend ist, vor allem für die Fertigungsindustrie im Mittelstand.

Der zweite Trend ist die Konsolidierung. Wir sehen, dass bekannte CPQ-Anbieter von größeren Firmen übernommen werden. Das zeigt, dass die Nachfrage nach CPQ-Lösungen steigt und dass die Anbieter sich darauf einstellen müssen, mehr Prozesstiefe zu liefern.

Cloud ist der dritte Trend am Markt. Aus unseren Erfahrungen werden auch im CPQ Bereich zunehmend Cloudlösungen nachgefragt. Wir von In Mind Cloud sind vor mehr als 10 Jahren direkt in der Cloud gestartet und haben viel Erfahrung und Wissensvorsprung. In den letzten Monaten haben wir unsere Plattform auf eine Hyperscale-Architektur umgebaut, um unseren Kunden mehr Flexibilität und Performance bieten zu können. Zusätzlich haben wir unsere Plattform um ein CRM und viele Commerce Funktionen erweitert. Wir haben festgestellt, dass nicht nur die Vertriebsmitarbeiter unserer Kunden konfigurieren müssen, sondern dass auch hier im Kontext der Customer Experience möglichst viele Kanäle zum Endkunden aufgebaut werden müssen. Daher können wir nun mit unserem Standardprodukt einfache wie komplexe Konfigurationen, Anfragen konfigurierter Produkte für Interessenten, Kunden und Partner sowie Ersatzteilbestellungen zentral über unsere Plattform abwickeln.

Der vierte Trend ist die Integration von CPQ mit anderen Systemen wie CRM, E-Commerce und ERP. Wir haben unsere Plattform um CRM- und Commerce-Funktionen erweitert, die sich nahtlos in bestehende Systeme wie SAP, Salesforce und Microsoft integrieren. Wir nennen das Digital Sales Plattform: eine zentrale Plattform für E-Commerce, CPQ und CRM mit SAP- und ERP-Integration.

Welche Herausforderungen haben Unternehmen, die CPQ lösen kann?

Achim Beckmann:
In der Fertigungsindustrie sehen wir häufig folgende Herausforderungen: Erstens erfordert der Vertrieb komplexer Produkte tiefes Expertenwissen. Zweitens gestaltet sich der Angebotsprozess oft zeitaufwendig und teuer – vor allem Fehlerkosten sind dabei ein Thema. Drittens kann die Zusammenarbeit zwischen Interessenten, Vertrieb und Konstruktion holprig sein. Viertens spielt das Guided Selling eine große Rolle – die optimale Auswahl und Auslegung von Maschinen und Anlagen ist entscheidend. Fünftens ist die Erstellung konsistenter, hochwertiger Dokumente eine Herausforderung. Und schließlich, sechstens, auch im Aftersales-Bereich stoßen Unternehmen auf kostenintensive Prozesse, beispielsweise bei der Identifikation von Ersatzteilen.

Grafik zu den Herausforderungen in der Fertigungsindustrie | eggheads.net

Wie kann CPQ helfen, diese zu meistern?

Achim Beckmann:
In vielen Unternehmen wird heute noch Excel im Vertriebsprozess eingesetzt. Obwohl bereits CRM-Systeme eingeführt wurden, ist der Angebotsprozess für komplexe Maschinen wenig bis gar nicht digitalisiert. Hier sind Spezialisten mit tiefem Know-how gefragt. Diese müssen aber erst einmal gefunden werden. Mit einer CPQ-Lösung können auch weniger erfahrene Vertriebsmitarbeitende schnell korrekte und qualitativ hochwertige Angebote erstellen.

Zudem haben viele Fertigungsunternehmen hohe Fehlerkosten. Das heißt, es werden inkonsistente Konfigurationen angeboten, weil kein zentrales Beziehungswissen vorhanden ist. Mit einem CPQ kann nur angeboten werden, was dem Regelwerk entspricht und somit auch produziert werden kann. Und es kann kein Angebot an den Kunden gehen, das nicht vorher einen Approval-Workflow durchlaufen hat.

Nach unserer Erfahrung gibt es auch immer noch Schwierigkeiten bei dem „Go to Market“ von neuen Produkten. Diese sind im Vertrieb nicht bekannt und werden daher nur sehr zögerlich angeboten. Hier kann ein CPQ auch durch Guided Selling und auf Basis von Regelwerken unterstützen.

Was sind die Voraussetzungen, um CPQ effizient zu nutzen?

Achim Beckmann:
In unseren End-to-End-Prozessen stoßen wir an verschiedenen Punkten auf Produktdaten. Damit der Prozess reibungslos funktioniert, müssen auch die Produktdaten konsistent, fehlerfrei und top gepflegt sein. Lassen Sie mich das an zwei Beispielen erläutern:

Zum einen haben wir ein B2B-Self-Service-Portal mit Ersatzteilidentifikation. Hier können Maschinenbaukunden mithilfe von 2D- und 3D-Modellen Ersatzteile einfacher identifizieren. Diese Kundengruppe benötigt genaue Informationen, um Stillstände zu vermeiden. Hier greifen wir auf strukturierte Daten aus einem PIM-System zurück.

Mithilfe unseres Guided Selling Ansatzes führt unsere Lösung den Vertriebsmitarbeiter durch eine Vielzahl von Varianten, um ihn bei der Vorkonfiguration und Auswahl der optimalen Angebotskomponenten zu unterstützen. Hierbei kommen Texte, Bilder und andere Produktdaten aus dem PIM zum Einsatz.

Ein weiteres zentrales Element ist die Angebotsgenerierung. Unsere CPQ-Lösung erstellt Angebote, konfiguriert Produkte, kalkuliert Preise und generiert Angebotsdokumente. Diese Dokumente müssen informativ und ansprechend sein. Hier setzen wir neben Vertriebs- und Konfigurationsdaten auch auf Produktdaten wie Bilder und Marketingtexte, die im PIM-System gepflegt werden. PIM-Systeme eignen sich auch für Printexporte, und wir arbeiten daran, diese Funktion zu implementieren.

Collage mit Markus Pichler von eggheads und Achim Beckmann von In Mind Cloud neben einem Microfon | eggheads.net

Markus Pichler (l.), Geschäftsführer von eggheads, und Achim Beckmann (r.), Managing Director bei In Mind Cloud.

Markus Pichler, Sie sind Managing Director bei eggheads. Ihr Unternehmen verfügt bereits über viel Erfahrung im Bereich PIM in Verbindung mit Cloud-Lösungen. Sie können folgendes sicher am Besten erklären:

Warum ist es sinnvoll PIM und CPQ zu kombinieren?

Markus Pichler:
Die Kombination von PIM (Product Information Management) und CPQ ergibt für Unternehmen aus mehreren Gründen Sinn. Natürlich spielen die Produktdaten eine zentrale Rolle. Während eine CPQ-Software primär auf die Optimierung von Angeboten und die Angebotserstellung abzielt, konzentriert sich PIM auf die Konsolidierung und das Management von Produktdaten. Diese Kombination bietet Unternehmen immense Vorteile.

Erstens ermöglicht die Kombination von PIM und CPQ eine nahtlose Verbindung zwischen Produktinformationen und Konfigurationsmöglichkeiten. Das bedeutet, dass Vertriebsmitarbeitende bei der Angebotserstellung auf aktuelle und präzise Produktdaten zugreifen können. Zweitens führt die Kombination von PIM und CPQ zu einer konsistenten Darstellung der Produkte in Angeboten, was Professionalität und Vertrauen beim Kunden aufbaut. Drittens erleichtert diese Kombination die Verwaltung und Aktualisierung der Produktdaten, da Änderungen an einer Stelle wirksam werden und in alle relevanten Prozesse einfließen. Nicht zuletzt trägt sie dazu bei, Fehler und Zeitverluste zu reduzieren, weil der gesamte Prozess von der Konfiguration bis zur Angebotserstellung effizienter gestaltet wird. Insgesamt gibt die Kombination von PIM und CPQ Unternehmen die Möglichkeit, ihre Vertriebsprozesse zu optimieren und ihren Kunden ein besseres Einkaufserlebnis zu bieten.

Wie arbeiten beide Systeme zusammen?

Markus Pichler:
CPQ und PIM funktionieren Hand in Hand, um den Vertriebsprozess zu optimieren. Das kann man sich in etwa so vorstellen: Das PIM fungiert als zentrale Datenquelle für alle Produktinformationen wie technische Details, Bilder, Videos und vieles mehr. Wenn wir im CPQ-System eine Konfiguration vornehmen, greifen wir direkt auf diese Informationen im PIM zu. Das PIM stellt sicher, dass immer die aktuellsten und genauesten Daten verwendet werden.

Im nächsten Schritt geht es um den Preis. Das CPQ-System nutzt die Daten aus dem PIM insbesondere im B2C-Bereich, um automatisch Preise für die einzelnen Produkte zu berechnen. Dazu gehören beispielsweise Grundpreise, aber auch spezifische Konfigurationszuschläge oder Rabatte.

In der Angebotsphase erstellt das CPQ-System automatisch Angebotsdokumente mit allen Konfigurationen und Preisen. Und hier hilft das PIM, diese Dokumente mit weiteren Produktinformationen anzureichern – für klare und überzeugende Angebote. Das Schöne daran: Jede Aktualisierung der Produktinformationen im PIM landet automatisch im CPQ-System. So bleiben alle Angebote immer korrekt und aktuell.

Wie können PIM- und CPQ-Systeme nahtlos integriert werden, um den Gesamtwert für ein Unternehmen zu maximieren?

Markus Pichler:
Dies kann durch Schnittstellen erreicht werden, die es den Systemen ermöglichen, Informationen in Echtzeit auszutauschen. Oder man wählt eine Plattform, die beide Systeme anbietet beziehungsweise unterstützt.

Ein weiterer Schritt ist die Synchronisation der Daten. Das PIM-System sollte als Single Source of Truth für Produktinformationen dienen und diese Daten sollten regelmäßig und automatisch in das CPQ-System übertragen werden. Dadurch wird sichergestellt, dass stets aktuelle und konsistente Produktinformationen für Konfigurationen und Angebote verwendet werden.

Die Integration ermöglicht auch die Anwendung von Regeln und Validierungen auf Basis der PIM-Daten im CPQ-System. Dies ist eine Garantie dafür, dass die vorgeschlagenen Konfigurationen technisch machbar und in Übereinstimmung mit den Produktstandards sind.

Welche Herausforderungen können dabei auftreten und wie können sie überwunden werden?

Markus Pichler:
Die Integration neuer Systeme bedeutet natürlich auch eine Veränderung der bestehenden Arbeitsabläufe. Hier ist es entscheidend, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf die Veränderungen vorzubereiten und Schulungen anzubieten, damit sie die neuen Prozesse effektiv nutzen können. Des Weiteren sollten Unternehmen sich auch Gedanken darüber machen, wohin die Reise gehen soll. Während die Integration anfangs vielleicht für ein bestimmtes Produkt oder einen bestimmten Markt gedacht ist, kann das Unternehmen wachsen und sich verändern. Daher sollte die Integration so gestaltet werden, dass sie skalierbar ist und mit den sich ändernden Anforderungen des Unternehmens Schritt halten kann. Nicht zuletzt wegen der Skalierbarkeit werden Cloud-Lösungen immer beliebter.

Insgesamt erfordert die Integration von PIM und CPQ eine sorgfältige Planung, eine klare Kommunikation und die Bereitschaft, sich den Herausforderungen zu stellen. Mit der richtigen Herangehensweise und einem umfassenden Support- und Serviceangebot seitens des Softwareanbieters können diese Herausforderungen jedoch erfolgreich gemeistert und die Vorteile voll ausgeschöpft werden.

Welche weiteren Entwicklungen sind in Bezug auf PIM- und CPQ-Lösungen in den nächsten Jahren zu erwarten?

Markus Pichler:
Die Bereiche PIM und CPQ entwickeln sich ständig weiter. Ich bin fest davon überzeugt, dass künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen zukünftig eine noch größere Rolle in PIM- und CPQ-Lösungen spielen werden. Diese Technologien können helfen, bessere Produktempfehlungen zu geben, den Konfigurationsprozess zu optimieren und die Genauigkeit der Datenpflege zu verbessern.

Um im harten Wettbewerb bestehen zu können, werden Unternehmen verstärkt daran arbeiten, personalisierte und maßgeschneiderte Kundenerlebnisse zu schaffen. PIM- und CPQ-Lösungen können dabei helfen, individuelle Angebote und Konfigurationen zu erstellen, die auf den spezifischen Bedürfnissen und Vorlieben unterschiedlicher Zielgruppen basieren.

Aber auch erweiterte Analysemöglichkeiten werden in Zukunft eine wichtige Rolle spielen. Seien es Kundenfeedbackdaten oder Daten aus PIM- und CPQ-Systemen. Zukünftige Entwicklungen könnten erweiterte Analysetools und Dashboards bieten, die es Unternehmen ermöglichen, wertvolle Einblicke in die eigene Zielgruppe oder die Effizienz des Vertriebsprozesses und des Produktmanagements zu gewinnen.

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